Ein geheimes Abkommen über Nukleartechnologien mit China, ein Angriff mit Vergewaltigung und Täter-Opfer-Umkehr. Das tönt wie ein Krimi. Und ist es auch – aber basierend auf einer wahren Geschichte. Und zwar die Geschichte von Maureen Kearney, die am 9. Mai in Zürich an einer Veranstaltung der SES und der Frauenrechtsgruppe Zürich von Amnesty International zu Gast war.
Im Räderwerk der Atommafia
Maureen Kearney war Gewerkschafterin bei Areva (ein ehemaliges französisches Grossunternehmen für Nukleartechnologie), als sie von einem geheimen Deal zwischen Frankreich und China erfuhr. Sie fürchtete, dass das französische Nuklear-Know-how ausgerechnet an die für Technologieraub bekannten Chinesen verramscht wird, dass der Stolz der Nation, der Reaktorbau-Konzern Areva, zerschlagen wird und Tausende ihren Job verlieren. Mittlerweile ist es genau so gekommen. Aber damals, als sie versuchte, das zu verhindern, wurden sie und ihre Familie verfolgt, bedroht, und im Dezember 2012 wurde sie bei sich zu Hause überfallen und Opfer sexueller Gewalt. Als sie zur Polizei ging, wurde ihr danach vorgeworfen, sie hätte sich alles ausgedacht und selbst inszeniert. Sie wurde sogar wegen dieser «Falschaussage» verurteilt. Es hat letztendlich sechs Jahre und drei Anwälte gebraucht, um sie von diesem Fehlurteil freizusprechen. Der Überfall wurde nie weiter untersucht oder aufgeklärt.
Wie konnte so etwas passieren?
Laut Dr. Eva Stegen, Energie-Referentin und Atomindustrie-Expertin bei EWS Schönau und auch zu Gast, ist einer der Gründe der «Ressourcenfluch». Atomstrom wird aus Uran hergestellt, das aus rohstoffreichen, aber sonst bettelarmen Staaten wie Niger oder Kasachstan stammt. Die Ausbeutung dieser Rohstoffe wird von Firmen wie Areva organisiert. Dabei fliesst sehr viel Geld in die Hände weniger (weisser) Mittelmänner. Dazu kommt die zivil-militärische Verflechtung. Für die militärische Nuklearindustrie braucht es nämlich spezielles Material, bestehende Lieferketten, eine kontinuierliche Ausbildungsinfrastruktur und hochqualifizierte Arbeitskräfte. Laut Präsident Macron gibt es ohne zivile Atomkraft keine militärische. Wie das in der Praxis funktioniert, wird anhand eines aktuellen Beispiels deutlich: dem Bau des britischen AKW Hinkley Point C. Dieser wurde nämlich als «Militärprojekt» qualifiziert. Nicht wegen der Atombombe, sondern wegen atomarer U-Boote. Für den Erhalt von 15 U-Booten kann eine solche Industrie schlicht nicht aufrechterhalten werden. Wenn es aber noch einige Atomkraftwerke gibt, sieht die Lage schon ganz anders aus. «Um diese (militärische) Industrie aufrechtzuerhalten, ist der Staat bereit, grosse Geldsäcke an Mittelmänner zu bezahlen. Wenn dann so eine Frau wie Maureen daherkommt und einen großen Deal zu vereiteln droht, werden diese Akteure sehr ungemütlich.»
Während der Veranstaltung wurde auch der Bogen zur Situation in der Schweiz gespannt. Auf die Frage, was Frau Kearney von der Idee von Bundesrat Rösti hält, das AKW-Neubauverbot aufzuheben, antwortete sie zunächst mit einem tiefen Seufzer. Danach fragte sie, wer denn diese AKWs mit welcher Expertise bauen werde – China oder doch lieber Russland? Das sind nämlich die beiden Optionen, die nach dem geheimen Deal noch übrig sind.