US-Atomindustrie erleidet Schiffbruch mit SMR-Projekt

Die amerikanische Firma NuScale Power hat am 8. November bekannt gegeben, dass sie ihr Vorzeigeprojekt eines Small Modular Reactor-Atomkraftwerks abbrechen muss. Damit platzt das fortgeschrittenste und prominenteste Projekt für kleine, fabrikgefertigte Atomkraftwerke, wie sie auch in Europa als Zukunftshoffnung beschworen werden.

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Das US Department of Energy hatte das Projekt der Start-Up-Firma NuScale Power bisher mit 600 Millionen Dollar unterstützt und weitere 1.35 Milliarden in Aussicht gestellt. Nun ist klar: Trotz dieser massiven Staatshilfe werden SMR-Technologien in den USA auf lange Zeit keinen Strom liefern. Denn NuScale Power ist das einzige Unternehmen, das bisher von der amerikanischen Aufsichtsbehörde eine Genehmigung für das Design solcher Reaktoren-Typen erhalten und einen Antrag für eine Baubewilligung eingereicht hat.

Wirtschaftlich nicht rentabel

Gescheitert ist das Projekt aus zwei Gründen. Zum einen haben technische Probleme die ursprüngliche Inbetriebnahme per 2026 stetig verzögert. Zuletzt wurde der Betrieb des «Carbon Free Project» für 2029 in Aussicht gestellt. Zum zweiten hat sich der erwartete Preis pro Megawattstunde von 55 auf 89 Dollar erhöht, ohne Subventionen der amerikanischen Steuerzahler gar auf 119 Dollar . Die rund 50 Projektpartner wollten diesen Preis für Strom aus SMR-Technologie vertraglich nicht garantieren. Doch ohne diesen Fixpreis ist das Projekt und der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich zu finanzieren. John Hopkins, CEO von NuScale Power, erklärte gegenüber US-Medien: «Wenn man einmal auf einem toten Pferd sitzt, sollte man schnell absteigen. Das war hier der Fall.»

PR-Offensive auch in Europa

In der energiepolitischen Debatte in Europa hat diese vermeintlich bereits verfügbare, günstige und saubere Reaktortechnologie immer mehr Raum eingenommen. Das NuScale-Projekt in Utah war dabei das absolute Vorzeigeprojekt und der grosse Hoffnungsträger der hiesigen Atombefürworter. Es sollte den Beweis antreten, dass sich die Industrie über kleine und modulare Kraftwerke neu erfinden könne – und der Ausstieg aus der Atomenergie ein Fehler sei. Selbst in der Schweiz wurden im Parlament Minderheitsanträge gestellt, die das geltende AKW-Neubauverbot zumindest für diese scheinbar vielversprechende Idee von kleinen, modularen Reaktoren lockern wollten. Die Erzählung von der marktfähigen und kostengünstigen neuen Atomtechnologie haben auch viele Medien unkritisch kolportiert – obwohl weltweit noch kein SMR in Betrieb ist.

Leere Versprechen gefährden die Energiewende

Das Scheitern von NuScale entlarvt die energiepolitischen Versprechungen der Atomindustrie. Zum heutigen Zeitpunkt fehlt diesen Innovationen noch jegliche Grundlage, um darauf die Energiezukunft und die Versorgungssicherheit der Schweiz aufzubauen. Wieso soll die Schweiz solche Projekte vorantreiben, wenn selbst das massiv geförderte Aushängeschild der USA schon vor Erteilen der Baubewilligung aufgeben muss?
Vielleicht geht es ja auch nur um Obstruktion. Denn die realitätsfernen AKW-Versprechen werden meist gegen die Energiewende und die erneuerbaren Energien ins Feld geführt. Der Siegeszug der Erneuerbaren soll um jeden Preis behindert, verzögert und abgewendet werden. Dieses Kalkül einer kleinen aber einflussreichen Atomlobby gilt es in Zukunft in der energiepolitischen Diskussion zu bedenken.

In Ohio wollen die 50 Partner des SMR-Projekts von NuScale nun alternative Möglichkeiten prüfen – insbesondere den Ausbau der Solar- und Windenergie.

Links und Quellen:

NuScale Medienmitteilung vom 8.11.2023

Reuters vom 9.11.2023

Focus Online vom 10.11.2023

Tagesanzeiger vom 13.11.2023

NZZ vom 14.11.2023